Humpert & Kösel-Humpert

Freie Architekten und Stadtplaner

Wohnen über Einzelhandel, Karlsruhe Oberreut

Wettbewerb:
Ausloberin:
Projektgruppe:
Modellbau:

Platzierung:

08/2019
Volkswohnung Karlsruhe
Patrick Humpert, Priska Kösel-Humpert, Britta Stumpf
Rafael Liebenwein

Nix

Städtebau:
Der geplante Stadtbaustein füllt das von der Stadtplanung definierte Baufenster vollkommen aus. Das EG mit den vorgegebenen Nutzungen (Nahversorger mit Nebenräumen, Parkierung Nahversorger, Müllräumen, Zufahrt zur TG und den Zugängen zu den Wohngeschossen 1 bis 5) dient als durchgehendes Sockelgeschoss, das im 1.OG als Gemeinschaftshof für die Bewohner eine grüne Mitte bietet. Nach Süden, Osten und Westen ist der Baukörper bis auf 2 Fugen auch in den oberen Geschossen geschlossen. Diese überwiegend geschlossene Form definiert gegenüber dem umgebenden heterogenen Umfeld klare Kanten und trägt damit zur Ablesbarkeit des öffentlichen Raumes bei. Die hochwertige Gestaltung des Sockelgeschosses ist für den Straßenraum und für Bildung einer guten Adresse von besonderer Bedeutung. Hier wird eine helle Klinkerfassade vorgeschlagen.

Erschließung:
Die Ost- und Südseite ist Erschließungsseite für den nicht motorisierten Verkehr: Kundeneingang für den Einzelhandel, Hauseingänge für die Wohngeschosse sowie Freitreppe für die Bewohner zum Hof auf der +1 Ebene. Die Hauseingänge befinden sich gegenüber der umgebenden Grünflächen. Der Zugangsbereich zum Nahversorger liegt an der Südostecke. Erschließungsseite für den motorisierten Verkehr ist die Nordseite, hier sind, wie in der Auslobung vorgegeben, die Zufahrt zur TG, die Zufahrt zum Kunden-Parkdeck und die Anlieferung angeordnet.

Alle Wohnungen sind über 2 Treppenhäuser und Laubengänge barrierefrei direkt mit allen Ebenen verbunden. Die Laubengänge umschließen um den Gemeinschaftshof: so trifft man sich beim Kommen und Gehen, hat verschiedene Ausblicke und sieht was im Hof los ist. Die Treppenhäuser sind in den Ecken angeordnet und bieten durch die zentrale Lage kurze Wege Jede Laubengangseite erschließt nur 2-3 Wohnungen, die direkten Nachbarschaften sind dadurch sehr überschaubar und persönlich, der Wohnungsmix an jedem „Flügel“ und jedem Treppenhaus fördert den Kontakt von Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen.
Durch die Innenlage der Laubengänge orientieren sich die Wohnungen hauptsächlich nach außen, das beugt Konflikten vor, die durch Kinderspiel und Kommunikation im Hof entstehen könnten. Die Wohnungen haben Ausblicke in die angrenzenden Grünanlagen und in die grünen Straßenräume, verfügen über einen außenliegenden Balkon, der anleiterbar ist und als 2.Rettungsweg dienen kann.
Die Eingangsbereiche im EG liegen zurückversetzt, weiten sich nach außen auf und bieten einen großzügigen, überdachten Vorbereich mit den Briefkastenanlagen.

Freianlagen:
Vorbereiche auf Straßenebene
An der Südseite grenzen niedrig geschnittenen Heckenpakete den privaten Gehbereich entlang des Gebäudes (Verbindung Haueingang – Müllraum – Freitreppe – Fahrradstellplätze und Zugang Einzelhandel) vom öffentlichen Gehweg ab. Auf der Ostseite fehlt ein öffentlicher Gehweg, daher wird entlang der öffentlichen Stellplätze ein Gehweg angelegt der sich an den Eingangsbereichen aufweitet. Die verbleibenden Flächen bis zur Fassade werden ebenfalls mit Heckenpaketen bepflanzt.

Die Gartenebene:
Die +1 Ebene ist Kommunikations- und Gemeinschaftsfläche, Garten- und Spielbereich. Hier befindet sich unter dem auskragenden 2.Obergeschoss an der Südseite eine überdachte Fläche, die im Alltag als Fahrradstellfläche genutzt wird, sich aber bei Bedarf auch als regensicherer bzw. schattiger Platz für Sommerfeste, Spielaktionen und andere Veranstaltungen nutzen lässt, insbesondere in Verbindung mit den angrenzenden Trockenräumen (Strom- und Wasserversorgung) und dem Hausmeisterraum. Von diesem Gemeinschaftsbalkon“ hat man nicht nur den Ausblick auf die Rudolf-Breitscheid-Straße, die Eugen-Geck-Straße und den dazwischen liegenden Grünbereich, sondern über die große Freitreppe auch eine direkte Verbindung zur Straßenebene und den Eingangsbereich des Nahversorgers. Damit sind die halbprivaten Freiflächen der Hausgemeinschaft zwar klar abgegrenzt, aber trotzdem in guter Verbindung zum öffentlichen Raum. Die Zugänglichkeit kann durch ein Tor auf die Bewohner beschränkt werden. Der Innenhof öffnet sich an 3 Stellen durch Fugen nach außen. Das schafft nicht nur räumliche Weite und Offenheit, sondern ermöglicht auch die gute Durchlüftung des Hofes und zusätzliche Belichtungsoptionen. Die Außenanlagen sollen durch unterschiedliche Nutzungsbereiche allen Bewohnern vielfältige Möglichkeiten für gemeinsame Aktivitäten bieten: Kinderspielplatz, schattige Pergola, Kräutergarten, Hochbeete, Spielfläche, Sonnenbänke…

Da für Bäume wenig Platz vorhanden ist, kann vertikaler Bewuchs durch Rankpflanzen an Seilkonstruktionen und Pergolen ergänzt werden: grüne, blühende Vorhänge aus Waldreben (Clematis), Glyzinie (Wisteria floribunda), Geißblatt (Lonicera caprifolium), Campsis radicans (Klettertrompete), Schlingknöterich (Fallopia baldschuanica), es gibt viele Varianten die anspruchslos und pflegeleicht sind und in sehr dekorativer Form auch für Bienen und Vögel wertvoll sind. Die Auswahl kann gezielt für die jeweilige Situation getroffen werden. Entlang der Laubengänge können sehr einfach und kostengünstig Rankhilfen (Seil- oder Netzkonstruktionen) gespannt werden. Die Pflanzungen werden durch immergrüne Sträucher (Ölweide, Viburnum, Photinia) ergänzt, die den Hof zu allen Jahreszeiten zonieren.

Der in der großen Fuge am nördlichen Rand gelegene Spielplatz mit Sandfläche, Schaukeln und weiteren Spielgeräten liegt einerseits „geschützt“ in der Ecke, ist aber andererseits bei Bedarf über die Laubengänge von allen Geschossen aus einsehbar.
Privatgärten sind nicht vorgesehen, es besteht aber die Möglichkeit in den dafür vorgesehenen Hochbeeten und in Gartenbereichen Gemüse, Kräuter und Blumen anzupflanzen.

Parkierung /Stellplätze:
Parkierung Bewohner: In der Tiefgarage befinden sich für die Bewohner der 62 Wohnungen 62 Stellplätze auf einer Ebene, Doppelparker sind nicht vorgesehen. 2 Stellplätze in der Nähe eines Treppenhauses sind behindertengerecht.
Die an der Südseite liegenden Licht- und Lüftungsschächte werden oberirdisch in Heckenpakete integriert.

Parkierung Kunden:
Für Kunden des Nahversorgers stehen im EG 18 PKW-Stellplätze zur Verfügung, 2 davon behindertengerecht. Die Einfahrt dieser in den Baukörper integrierten Parkfläche befindet auf der Nord-, die Ausfahrt auf der Südseite. Die Anordnung der Zu- und Abfahrt an den gegenüberliegenden Seiten ist für den Verkehrsfluss vereinfachend, ist jedoch nicht zwingend. Zugunsten eines zusätzlichen Stellplatzes könnte auf die südliche Ausfahrt verzichtet werden. Neben der Ausfahrt befindet sich ein Ausgang und optional eine Fläche für Einkaufswagen, eine weitere am Eingang des Nahversorgers.

Fahrrad-Stellplätze:
Für die 62 Wohneinheiten werden 124 überdachte Fahrrad-Stellplätze gefordert. Davon befinden sich 66 im UG, verteilt auf zwei Räume mit Zugänglichkeit von der Tiefgarage aus. Weitere 26 sind in einem abgeschlossenen Raum im EG und 36 auf der +1 Ebene angeordnet. Die 20 Fahrrad-Stellplätze für den Einzelhandel liegen freizugänglich unmittelbar neben dessen Eingangsbereich des Nahversorgers.

Wohngeschosse:
Wohnungsmix
Der gewünschte Wohnungsmix von 1- 5 Zimmer-Wohnungen wird für alle Größen erreicht und in allen Geschossen angeboten. Sollte der Anteil der 4-Zi-Wohnungen noch erhöht werden, können die 5-Zi-Wohnungen entsprechend reduziert werden, die Wohnungsgröße wäre mit der zulässigen Überschreitung für barrierefreie Wohnungen um 15 m² immer noch passend.

Grundrisse
Alle Wohnungen haben Fenster zu mindestens 2 Seiten / Himmelsrichtungen und können querlüften, alle Wohnungen haben Sichtkontakt zum Hof und zum öffentlichen Raum. Alle Wohnungen haben Tageslichtbäder, bei allen Wohnungen ab 2 Zimmer ist eine offene oder geschlossene Küche möglich, bei den 1-Zimmer-Wohnungen wäre eine mobile Abtrennung möglich. Alle Wohnungen sind barrierefrei realisierbar, die 4- und 5- Zimmerwohnungen haben ein Gäste-WC.

Gestaltungs- und Farbkonzept, Materialien:
Der Baukörper gliedert sich in ein Sockelgeschoss und die darüber liegenden Wohngeschosse. Das Sockelgeschoss mit einer Klinkerfassade (Riemchen) empfängt Bewohner und Kunden freundlich auf der Straßenebene, mit leichtem Farbspiel, strukturiert und gleichzeitig robust. Alle Eingänge und die Freitreppe sind in den Baukörper eingeschnitten. Die Wohngeschosse gliedern sich durch die Fugen in mehrere Baukörper und heben sich vom Sockel in Material und Farbe ab: die monolitische Bauweise mit verputzen Oberflächen ist eine nachhaltige, ökonomische Bauweise, die Fassaden werden über Putzstruktur und Farbflächen gegliedert. Die vorgehängten Balkone schweben über dem Sockelgeschoss und geben der Fassade mit den Sichtschutzelementen eine zusätzliche Schichtung.
Im Hof überlagern sich die Horizontalen der Laubengänge mit den vertikalen Strukturen der Rankhilfen und –pflanzen.

Energetisch-ökologisches Konzept:
Die kompakte Bauform ohne Vor- und Rücksprünge optimiert die wärmedämmende Hüllfläche. Der Großteil der Wohnräume liegt nach Süden, Osten und Westen, der Anteil der nordorientierten Räume wurde möglichst gering gehalten, sodass solare Gewinne in den kühlen Jahreszeiten genutzt werden können. Die in allen Geschossen vorgehängten Balkone und durchlaufenden Laubengänge sind leicht thermisch zu trennen und verschatten bei steilem Sonnenstand im Sommer angrenzende Fenster und Fassadenteile automatisch, dienen somit auch als Sonnenschutzelemente. Diese Funktion kann durch Sichtschutzelemente (Balkone) und Begrünung (Laubengänge) noch unterstützt werden. Im Sommer soll die Fassade im Hof in wesentlichen Teilbereichen begrünt sein und einen aktiven Sonnenschutz bieten, während das Sonnenlicht im Winter ungehindert passieren kann. Ein zweiter Effekt ist die Erzeugung von Verdunstungskälte zur Verbesserung des Kleinklima im unmittelbaren Gebäudeumfeld. Die Nachabkühlung kann im Sommer durch die mögliche Querlüftung optimal genutzt werden. Die intensive Begrünung auf der +1 Ebene und die extensive Begrünung der Dachflächen wirkt sich sowohl auf die Retention des Niederschlagswassers als auch auf die Oberflächentemperaturen positiv aus. Zusätzlich lassen sich die Flachdächer mit Solaranlagen nutzen.