Humpert & Kösel-Humpert

Freie Architekten und Stadtplaner

Wohngebiet Bellist, Lörrach

Wettbewerb:
Ausloberin:
Projektgruppe:

Platzierung:

01/2013
Stadt Lörrach
Patrick Humpert, Ella Wolfram

2. Rundgang

Als noch unbebaute Wiesen liegen die „Matten“ auf den Ausläufen des südlichen Schwarzwalds. Gleich einer großen „Baulücke“ schneidet das „Belist“ ins dörfliche Gefüge, das aus unterschiedlichsten, wenig homogenen und teilweise unvollendeten Siedlungsstrukturen besteht. Die östlichen und westlichen Übergänge stellen sich teilweise als baulich geschlossene jedoch unvollendete Ränder dar. Den südlichen Rand bildet die Markgrafenstraße mit einer straßenbegleitenden, kleinteiligen Bebauung. Besondere Qualitäten bietet der nördliche Abschnitt. Er öffnet sich in das „Manzental“ und zu den aufsteigenden, auch als Streuobstwiesen genutzten Hängen des „Auf dem Buck“ und der „Büschenmatten“. Das bewegte Gelände mit den Wiesen, dem Baumbestand, Sträuchern, und Hecken aber auch mit den Wassergräben und Feuchtwiesen bildet eine ökologisch sehr interessante, abwechslungsreiche Flora und Landschaft.

LEITIDEE:
Die neue Siedlung soll sowohl den fehlenden Ortsrand klar definieren, als sich auch mit der Natur und Landschaft verzahnen und durchdringen. Bestehende Qualitäten sollen erhalten, Potentiale herausgearbeitet werden. Das Erschließungssystem soll flächensparend und klar erkennbar sein. Die Baufelder flexibel in der Aufteilung und Bebauung, besonders hinsichtlich ökologischer Gesichtspunkte. Attraktive, auch der Nachbarschaft zugängliche öffentliche Freiräume sollen entstehen. Die Dachlandschaft soll auch aus der Burgperspektive gesehen, den Zusammenhang des Gebiets stärken.

BEBAUUNGSKONZEPT:
Die Geländeaufteilung und Erschließung bestimmt die raumbildende, ortsprägende Grundstruktur des neuen Baugebiets. Das Grundgerüst bildet die bis zur Ritterstrasse weitergeführte Neudorfer Straße mit einem zusätzlichen ergänzenden „Erschließungsbügel“, der das Innere des Gebiets andient.
Ein Grünzug als Auslauf des Manzentals zieht sich als identitätsstiftendes grünes Element bis an die Markgrafenstraße. Dadurch werden auch für die Standorte im inneren des Gebiets Bezüge zur Landschaft ermöglicht und weitere attraktive Randlagen.
Die Baustruktur am östlichen Rand besteht aus „höheren“ Mehrfamilienhäusern (III+Dach) deren Wohnungen im Erdgeschoss kleine private Gärten und deren Penthauswohnungen attraktive Dachterrassen mit wunderbarem Ausblick haben. Die innere Bebauung bilden Reihenhäuser den westlichen und nördlichen Rand Doppelhäuser. Wobei die Mischung der Gebäudetypen, der Nachfrage entsprechend, flexibel ausfallen kann. Die Geschossigkeit sollte hier II+Dach nicht überschreiten. Baulinien im inneren Gebiet und Baufenster an den Rändern, gestärkt durch straßenbegleitende Baumpflanzungen, sollen die gewünschte Grundstruktur des öffentlichen Raumes sichern. Als Dachformen des Gebiets sind Flachdächer oder sehr flach geneigte Pult- und Schmetterlingsdächer, die begrünt werden können, vorgeschlagen. Die Dachbegrünung ist besser für das Stadtklima und reinigt die Luft. Eine flache Dachform ermöglicht, eine unabhängig von der Gebäudeausrichtung optimale Positionierung von Energiekollektoren.

FREIFLÄCHEN:
Der in Nord-Süd-Richtung verlaufende Grünzug mit dem anliegenden Quartiersplatz, den Wasserlauf , Mulden und Kleinkinderspielplätzen verknüpft das neue Wohngebiet und auch die südlich davon liegenden bestehenden Gebiete mit dem nördlichen Wegesystem und der offenen Landschaft und bindet so die Naherholungspotentiale für die neuen und alten Bewohner gut ein. Das in offenen Gräben und Rinnen geführte Hangwasser mündet in einen „Hauptsammler“ im Grünzug und füllt je nach Quantität, eine Folge verschiedener Mulden und Becken. Der Quartiersplatz mit dem davor gelagerten Wasserbecken ist der zentrale Ort. Der Grünzug ist eine Rasenfläche mit einzelnen ausgewählten Baumstandorten, die noch einen Durchblick ins Manzental zulassen. In unmittelbarer Nähe zur umgebenden Bebauung sind hier Kleinkinderspielplätze vorgesehen. Für „größere“ Kinder, zu Fuß wie auch per Rad, gefahrenlos über den Grünzug zu erreichen, ist am Übergang zur offenen Landschaft der neue Quartiersspielplatz und der Schulgarten mit Teich und Biotop angelegt.
Als Ausgleichsflächen dienen die Flächen im nord-östlichen Teil des Geltungsbereichs. Dort bilden sie gemeinsam mit den angrenzenden Kleingärten einen homogenen Übergang zwischen den neuen und alten Siedlungsteil.
Die verlängerte Neudorferstrasse erhält einseitig eine durchgängige begleitende Baumreihe aus Vogelkirschen – Prunus avium Plena. Die inneren Straßen Ahorn – Acer`Cleveland´.

QUARTIERSPLATZ:
Im Schnittpunkt des öffentlichen Grünraums mit der inneren Erschließungsstraße liegt der Quartiersplatz mit Sitzstufen und Wasserbecken des aufgestauten Hangwasser. Er ist ein Ort mit hoher Aufenthaltsqualität sowohl als alltäglicher Treffpunkt wie auch als Plattform für gemeinsame Veranstaltungen und Feste der Quartiersbewohner. Auf schlichten Bänken unter einem besonderen schattenspendenden Baum z.B. Hippocastanaceae kann hier der Blick in das Grün und auf die Hänge mit der identitätsstiftende Burg schweifen.

ERSCHLIESSUNG:
Die Verbindung der Neudorfer Straße mit der Ritterstraße vervollständigt das derzeit unvollendete Erschließungssystem und bildet die nördliche Erschließung der neuen Siedlung.
Auf der Nordseite stehen auf ihr zwei kurze Stichstraßen mit kleinen Wohnhöfen der aufgelockerten nördlich am Hang liegenden Doppelhausbebauung als Erschließung dienen.
Nach Süden erschließt ein L-förmige an die Manzentalstrasse angeschlossene Verbindung das Innere des Baugebiets. Diese innere Erschließung ist grundsätzlich als Spielstraßen aus gebildet. Die Fahrbahnen und Wege in diesem „shared space“, bilden durch den einheitlichen Belag eine homogene Fläche, die nur über Pflasterinnen in Fußgänger und Parkierungszonen gegliedert sind. Die öffentliche Parkierung findet im Straßenraum auf Seiten der Baumstandorte statt. Die private, den Häusern und Wohnungen zugeordnete Parkierung ist vor, neben und bei den Geschossbauten, unter den Gebäuden vorgesehen. Die oberirdischen Stellflächen sind teilweise unter begrünten Carports vorgesehen.
Das Fuß- und Radwegenetz verbindet innerhalb des Gebiets weitgehend über die Grünzüge die Nachbarschaft und diese mit der Landschaft. Kurze Stichwege aus den Erschließungsstraßen ermöglichen einen direkten Zugang sowohl zu den Naherholungsflächen wie auch zu den Nachbarn untereinander und zum Gemeindehaus, Kindergarten, „Ortsmitte“ etc..

NACHHALTIGKEIT:
Die Orientierung der Gebäude mit den flachgeneigten Dächern ermöglicht eine optimale energetische Ausnutzung und die Verringerung der Abflussbeiwerte durch Dachbegrünung.
Überschüssiges Dachflächenwasser kann auf den Privatflächen versickert oder in Zisternen gespeichert, überschüssiges Wasser wird über die offenen Gräben in den öffentlichen Grünraum geleitet und dort von dem verzweigten Grabensystem aufgenommen. Oberflächenwasser der Straßen und Wege wird direkt (Dränfugenpflaster) aufgenommen. Im Grünzug angeordnete Mulden dienen der Rückhaltung. Das Ausheben von Rigolen in wasserabführende Schichten sollte geprüft werden. Die flachgeneigten Dächer lassen eine gute richtungs-unabhängige Aufstellung von Solarmodulen für Photovoltaik wie auch Solarthermie zu. Ein im Untergeschoss eines der Mehrfamilienhäuser installiertes Holzvergaser-BHKW als Energiezentrale kann mit Kraft-Wärme-Kopplung auf Basis des heimischen Energieträgers Holz, die Siedlung mit Nahwärme und zusätzliche elektrische Energie versorgen.

SOZIALE ASPEKTE:
Zu einem guten Standort gehört die dauerhafte soziale Ausgeglichenheit. Die Mischung verschiedener Gebäudetypen ermöglicht verschiedene Wohnformen die unterschiedlichen Bedürfnissen entsprechen können. Das betrifft sowohl die unterschiedlichen Lebensentwürfe wie auch die finanziellen Möglichkeiten.
Ein Mix von Familien mit und ohne Kinder, von Alleinstehenden, Senioren, Generationen übergreifender Bevölkerung, kann hier einen qualitätsvollen, den Ansprüchen entsprechenden, Wohnort finden. Das Angebot der öffentlichen Freiflächen ermöglicht ungezwungene Begegnungen der Bewohner und Bildung von Nachbarschaften. Die variable Bebauung der Baufenster lässt eine Anpassung an die letztendlich sich wirklich darstellende Nachfrage zu, ohne die städtebauliche Grundstruktur zu zerstören.

GEBÄUDETYPEN:
Die Mehrfamilienhäuser sind kompakte III-geschossige Punkthäuser mit den Abmessungen ca.15/15m. Sie bieten Platz für entweder zwei kleine Etagenwohnungen oder eine Etagenwohnung pro Etage. Es können aber auch pro Gebäude je 4 Maisonetten angeordnet werden. Diese Variabilität ermöglicht eine vielfältige Mischung und ein zusammenleben von allen Lebensentwürfen oder Fasen unter einem Dach. Die Doppelhäuser sind II-geschossig und bieten Platz für ca. 150 qm Wohnfläche ohne dass man den Keller ausbauen muss. Ggf. Kann auf einen Keller verzichtet werden. Das in Schmetterlingsform ausgebildete Dach ist durch die der Sonne gewandte Seite optimal zum Einbau von Solarzellen geeignet. Die sich gegen Süden aufgeklappte Dachfläche lässt eine optimale direkte Besonnung zu. Die Reihenhäuser sind II-geschossig und bieten Platz für ca. 130 qm Wohnfläche. Die quergelegten Dachterrassen bieten, trotz einer dichten Baustruktur, den Bewohnern einen intimen Rückzugsraum. Gleichzeitig wird die Verschattung der dahinter liegenden Reihen verringert.