Humpert & Kösel-Humpert

Freie Architekten und Stadtplaner

Wohngebiet „Hasenkopf“, Marburg

Wettbewerb:
Auslober:
Projektgruppe:
Freianlagen:
Modellbau:
Platzierung:

07/2021
Stadt Marburg
Kelai Yu, Patrick Humpert
mit w+p Landschaften, Berlin
Rafael Liebenwein, Graben-Neudorf
2. Rundgang

Der Planung zugrunde liegt folgende Leitidee:
Das zukünftige Baugebiet soll ein Stadtteil mit hoher Wohnqualität und Wiedererkennungswert werden. Mit einem starken Ortscharakter durch prägende Stadt- und Freiräume, einer gemeinsamen Mitte. Mit einer sehr guten An- und Einbindung in die Landschaft, an den Bestand. Ein Stadtteil für ALLE: Familien, Kinder, Rentner, Singles, junge und alte Menschen, Menschen mit unterschiedlichen Einkommensverhältnissen. Die schöne Landschaft soll allen Bewohnern auf kurzem Wege zugänglich sein.
Es soll eine Verknüpfung der Grünräume über den Hochpunkt zum Stadtwald in die offene Landschaft entstehen, die sowohl den neuen Bewohnern, als auch der Fauna (u.a. den Fledermäusen, Bienen usw. dient. Durch eine klare, ökonomische Erschließung und die Vermeidung von Durchgangsverkehr stört der motorisierte Verkehr die Wohn- und Aufenthaltsqualität nicht. Spielstraßen und Quartiersplätze unterstützen als Treffpunkte die Nachbarschaftspflege. Die neu entstehenden Baufelder müssen eine flexible, bedarfsorientierte Belegung vom Einfamilienhaus bis zum Geschosswohnungsbau zulassen. Möglichst viele Wohnlagen sollen Bezüge zu internen Grünräumen oder zur offenen Landschaft erhalten. Die Erfahrbarkeit der Natur im Kleinen und der Landschaft im Großen wird gefördert. Das Bewusstsein für Natur und Landschaft wird gestärkt.

Die Lage im Grünen:
Das neue Baugebiet Hasenkopf liegt wie eine Insel im Grünen. Damit nicht nur die Randlagen davon profitieren, ist die Gebäudestellung an den Rändern so, dass auch von innen Sichtbezüge nach außen und klimatischer Austausch bestehen. 2 Grünzüge durchziehen außerdem das Gebiet von Norden nach Süden und bieten damit auch für die mittleren Lagen direkten Bezug zu den Grünräumen und Verbindung in die offene Landschaft. Die naturnah gestalteten Grünzüge haben vielfältige Funktionen: Durchlüftung des Wohngebietes, Offenhaltung der Kaltluftströme über das Quartier hinaus, ergänzende Retentionsflächen, Naherholung mit direkter Anbindung an den Wanderweg, Spiel-und Streifräume für Kinder, Aussichtspunkte mit Fernbeziehung, Verbindung der Lebensräume heimischer Tiere, mit durchgängigem Baumbestand, z.B. als Leitfunktion für den Flug der Fledermäuse durch das Gebiet, Anlage von Biotopflächen und Habitaten (Eidechsen); Symbiose zwischen Wohnen, Naherholung und Natur.

Erschließung und Mobilität:
Eine klare Erschließungsstruktur dient der einfachen Orientierung und Übersichtlichkeit im neuen Wohngebiet. Vom Anschluss gegenüber der Edith-Stein-Straße wird der motorisierte private und öffentliche Verkehr bis zum Quartiersplatz und dem ersten Parkhaus geführt, dann auf die parallel verlaufende nördliche Erschließungsstraße geleitet, dem Standort zwei weiterer Parkhäuser und an die K68 angebunden. In diesem Bereich werden Fuß- und Radverkehr auf eigenen, sicheren Wegen geführt. Der westliche Teil des Gebiets ist verkehrsreduziert geplant, die Erschließung wird hier als shared space konzipiert, kann und soll von Allen genutzt werden. Die engmaschige Durchwegung des Wohngebietes mit vielfältigen Verbindungen zu den umschließenden Fußwegen, ermöglicht kurze Wege im Quartier und vernetzt mit den schönen Landschaftsräumen.

Der Quartiersplatz:
Die zentrale Lage in der Mitte bietet allen zukünftigen Bewohnern kurze Wege zum Quartiersplatz und den dort angesiedelten gemeinschaftlichen Nutzungen, zur Kita und zu den Haltestellen des ÖPNV. Hier wäre auch der Ort für alle Einrichtungen des täglichen Bedarfs, soweit sie im Stadtteil angesiedelt werden können. Über das Fußwegenetz und den zentralen Grünzug ist der Quartiersplatz für alle barrierefrei erreichbar.

Wohnen:
Die Durchmischung unterschiedlicher Wohnformen, soll durch Variation der Gebäudehöhe zwischen II+D und III+D im gesamten Baugebiet gefördert werden. Auf die Nachfrage sowie Verteilung von gefördertem und frei finanziertem Wohnraum kann flexibel reagiert werden.

Wohnen in Nachbarschaften:
Die Gebäude in den Randlagen gruppieren sich um kleine Höfe, die Nachbarschaften und gemeinsame Kommunikationsräume bilden. Überschaubare Größen für Baugruppen, Genossenschaftsbauten, kleinere und mittlere Wohnprojekte bis zum gestapelten Reihenhaus.

Wohnen am Hof:
In den mittleren Lagen sind die Wohngebäude um einen großzügige gemeinsame Wohnhofe angeordnet, die zum einen den Wohnungen im EG private Freiflächen ermöglichen, zum anderen in den Gemeinschaftsbereichen zum nachbarschaftlichen Treffen einladen. Hier ist der Ort für Gemeinschaftsgärten, Spielplätze für die Kinder, eine Gemeinschaftshaus für gemeinsame Aktivitäten, einer Werkstatt oder Familien- und Nachbarschaftsfeiern sowie ein Platz für gemeinsame Fahrradhäuser. Hier könnte auch gemeinschaftlich genutzte Infrastruktur angeordnet sein: Ladestationen für E-Bikes, Lastenräder, etc.. Das „Wohnen am Hof“ ist die bevorzugte Lage auch für besondere Wohnformen, wie Clusterwohnungen, Baugemeinschaften, Generationenwohnen und für alle die an gemeinschaftlichem Wohnen teilhaben wollen.

Nachhaltigkeit:
Für einen nachhaltigen Stadtteil spielen die Dachflächen eine wesentliche Rolle. Begrünte Dachflächen dienen nicht nur der Retention, sondern tragen einen wichtigen Teil zum guten Kleinklima und der Biodiversität bei. Ergänzt um einen hohen Anteil an PV-Flächen (insbesondere auch der Dachflächen der Parkhäuser) werden die Dächer zusätzlich zum Energielieferanten. Die Regenwasserversickerung auf dem Grundstück wird durch Retentionsflächen in den Grünzügen ergänzt. Ein großer Anteil an südorientierten Gebäuden ermöglicht hohen solaren Wärmegewinn im Winter. Aber auch der Anteil der Ost-West-Orientierten Gebäude trägt zur Nachhaltigkeit bei, indem auch Bewohner berücksichtigt werden, die durch ihren Tagesablauf die Morgen- und Abendsonne genießen wollen. Großzügige Baufenster, bei denen größere Wanddicken und bessere Dämmung der Gebäudehülle nicht zum Verlust von Wohnflächen führt, sind ein wichtiger Faktor für nachhaltiges und gleichzeitig kostengünstiges Bauen.

Bauabschnitte:
Im ersten Bauabschnitt bis zum Quartiersplatz kann schon die gesamte Infrastruktur aufgebaut werden: Der Quartiersplatz mit allen ansässigen Funktionen, die Busschleife, der erste Grünzug, der Querschnitt aller Wohnformen. Im zweiten Bauabschnitt werden die Flächen für alle Wohnformen erweitert und ein weiterer Grünzug angelegt. Ob die Flächen für Wagenplatz und Tiny houses zunächst übergangsweise an Stelle des oberen, mittleren Parkhauses platziert werden oder von Anfang an ihrem endgültigen Ort hergestellt werden, wäre abzustimmen.