Humpert & Kösel-Humpert

Freie Architekten und Stadtplaner

Wohngebiet „Am Langen Rain“, Müllheim

Wettbewerb:
Ausloberin:
Projektgruppe:

Platzierung:

07/ 2015
Stadt Müllheim
Patrick Humpert, Sabine Beyer, Sarah Wendschlag

3. Preis

STANDORTBEWERTUNG:
Von der Kernstadt durch zwei Landstraßen getrennt, breitet sich das Plangebiet fächerförmig nach Osten in die offene Landschaft auf. Derzeit genutzt als landwirtschaftlich intensiv bewirtschaftete Agrarflächen und Streuobstwiesen. Besetzt mit einzelnen großen Solitärbäumen von denen einige geschützt sind. Besondere Qualität bietet das bewegte Gelände mit den alten Baumgestalten und das einzigartige Panorama des Südschwarzwalds.

LEITIDEE:
Die schöne Landschaft soll allen Bewohnern (neuen wie alten) auf kurzem Wege zugänglich sein. Ein offener Grünraum bildet die zentrale grüne Achse und führt vom Kreisverkehr Hang aufwärts und öffnet sich als großes Landschaftsfenster. Hier endet er mit einer kleinen Platzsituation und inszeniert den besonderen Fernblick auf Burgruine und den Südschwarzwald. An diesem Herzen des neuen Wohngebiets liegen der Kindergarten, die Grundstücke für Seniorenwohnanlage und weitere Sonderwohnformen. Eingebettet sind öffentliche Spielplätze und Begegnungsbereiche.
Der bestehende Kreisverkehr bildet das Bindeglied zwischen Kernstadt und Plangebiet.
Hier laufen alle Wege zusammen und das Neubaugebiet soll von hier fuß- und radläufig, zentral erschlossen werden. Die neue Bebauung soll sich radial zum Stadtzentrum anordnen. Der motorisierte Verkehr soll möglichst wenig die Wohn- und Aufenthaltsqualitäten beeinträchtigen.

BEBAUUNG/ GEBÄUDETYPEN:
Die Geschosswohnungsbauten verschiedener gemeinschaftlicher Wohnmodelle, stehen Entlang der Haupterschließungsstraßen und bilden den V-förmigen, schützenden Rücken des Gebietes. Sie können Wohnungen im Erdgeschoss anbieten mit kleinen privaten Gärten aber auch attraktive Etagen- und Penthauswohnungen. Dazwischen spannen sich radial die Wohnstraßen mit einer Bebauung aus Reihen-, Doppel-, und Einzelhäusern auf, wobei die Mischung der Gebäudetypen, der Nachfrage entsprechend, flexibel gestaltet werden kann.
Flache Dachformen haben den Vorteil, dass sie eine Dachbegrünung zulassen, die besser für das Stadtklima ist und auch eine unabhängig von der Gebäudeausrichtung optimale Positionierung von Energiekollektoren ermöglichen. Die variable Bebauung der Baufenster lässt eine Anpassung an die letztendlich darstellende Nachfrage zu, ohne die städtebauliche Grundstruktur zu zerstören. Die Mischung verschiedener Gebäudetypen ermöglicht verschiedene Wohnformen die unterschiedlichen Bedürfnissen entsprechen können. Das betrifft sowohl die verschiedenen Lebensentwürfe wie auch die finanziellen Möglichkeiten.

FREIFLÄCHEN:
Das Angebot der öffentlichen Freiflächen ermöglicht ungezwungene Begegnungen der Bewohner und Bildung von Nachbarschaften. Der vom Kreisel aus mittig durch das Gebiet verlaufende Grünzug bildet das zentrale freiräumliche Element. Er bildet den Raum für die Fuß- und Radläufige Erschließung, schafft Zonen für zentrale Spiel- und Aufenthaltsflächen und nimmt die Retentionsflächen zur Rückhaltung des anfallenden Regenwassers auf. Außerdem verknüpft er das neue Wohngebiet und auch die westlich sowie südlich davon liegenden, schon bestehenden Gebiete mit dem östlichen Wegesystem und der offenen Landschaft. Er bindet so die Naherholungspotentiale für die neuen und alten Bewohner gut ein und lädt zu einem einmaligen Panoramablick ein.
Der Grünzug wird naturnah ausgebildet und bietet gleichzeitig die erforderlichen Ausgleichsflächen für das Gebiet. Lockere Baumstellungen mit Obstbäumen greifen das Motiv der Streuobstwiesen auf und lassen die Landschaft in den Siedlungsraum hineinfließen. Die vorhandenen Naturdenkmäler werden zu einem prägenden Element.
Die Haupterschließungsstraßen erhalten einseitig Bäume aus Ahorn – Acer`Cleveland´. Die Wohnstraßen Vogelkirschen – Prunus avium Plena.

ERSCHLIESSUNG:
Am Kreisverkehr kommen alle von außen kommenden Wegeverbindungen zusammen. Hier ist das Entree der Fuß- und Radläufigen Erschließung des Gebiets. Die Bushaltestellen für den ÖPNV ist in unmittelbarer Nähe angeordnet.
Von hier aus führen Fuß- und Radwege als gefahrenfreie Erschließung über den Grünzug zu weitgehend allen Orten im Gebiet und dem bestehenden landwirtschaftlichen Wegesystem im Osten mit der offenen Landschaft. Von hier aus wird die Nachbarschaft aus den angrenzenden Wohnstandorten zu einem Spaziergang in den offenen Landschaftsraum mit seinem fantastischen Panorama abgeholt.
Kurze Stichwege aus den Erschließungsstraßen ermöglichen einen direkten Zugang sowohl zu den Naherholungsflächen wie auch zu den Nachbarn untereinander und zum Kindergarten und der „Ortsmitte“, etc.
Die Erschließung für den Kraftverkehr erfolgt über je eine Anbindung von der L131 und der L125. Die gebietsinternen Haupterschließungsstraßen verlaufen parallel zu den Landstraßen und bilden die voneinander unabhängigen Verteiler für die fingerartige Erschließung in Form von radial abgehenden Wohnstraßen. Eine interne Querung des Wohngebiets ist für den motorisierten Verkehr nicht möglich.
Die Wohnstraßen enden in kleinen Quartiersplätzen, die das Wohngebiet mit dem Grünraum verknüpfen. Diese innere Erschließung ist grundsätzlich als Spielstraße aus gebildet. Die Fahrbahnen und Wege in diesem „shared space“, haben durch den einheitlichen Belag eine homogene Fläche, die nur über Pflasterrinnen in Fußgänger- und Parkierungszonen gegliedert sind.
Die Lage des Kindergartens nahe der Anbindung an die L125 verhindert eine Störung des Wohngebiets durch externen Bring- und Abholverkehr.

STELLPLÄTZE:
Die öffentliche Parkierung findet im Straßenraum auf Seiten der Baumstandorte statt. Die private, den Häusern und Wohnungen zugeordnete Parkierung ist vor, neben und bei den Geschossbauten, in Tiefgaragen vorgesehen. Die oberirdischen Stellflächen sollen teilweise unter begrünten Carports liegen. Entlang den beiden Haupterschließungsstraßen an den aus Gabionen hergestellten Lärmschutzwänden, sind unter offenen Carports öffentliche und private Stellplätze angeordnet. Die Stellplätze für Carsharing sind in zentraler Lage beim Kindergarten vorgesehen.

NACHHALTIGKEIT:
Eine Verringerung der Abflussbeiwerte durch Dachbegrünung wird empfohlen.
Überschüssiges Dachflächenwasser kann auf den Privatflächen versickert oder in Zisternen gespeichert. Oberflächenwasser wird über die offenen Gräben in den öffentlichen Grünraum geleitet und dort von dem verzweigten Grabensystem aufgenommen. Oberflächenwasser der Straßen und Wege wird direkt (Dränfugenpflaster) aufgenommen. Im Grünzug angeordnete Mulden dienen der Rückhaltung. Das Ausheben von Rigolen in wasserabführende Schichten sollte geprüft werden. Die flachgeneigten Dächer lassen eine gute richtungs-unabhängige Aufstellung von Solarmodulen für Photovoltaik wie auch Solarthermie zu. Ein im Untergeschoss eines der Mehrfamilienhäuser installiertes Holzvergaser-BHKW als Energiezentrale kann mit Kraft-Wärme-Kopplung auf Basis des heimischen Energieträgers Holz, die Siedlung mit Nahwärme und zusätzliche elektrische Energie versorgen.

LÄRMSCHUTZ:
Entlang der L131 und L125 werden aus Gabionen hergestellte Lärmschutzwände vorgeschlagen. Diese haben den Charakter von Trockenmauern, lassen sich gut begrünen und dienen gleichzeitig der gebietsseitigen Parkierung als schöner Rücken. Kleine eingelassene Fenster lassen Ein- und Ausblicke zu. Durch eine Modellierung des Geländes und Pflanzungen wird das Erscheinungsbild gegliedert und aufgelockert. An der L131 im Bereich zwischen Kreisel und Seniorenwohnanlage wird der bestehende Rad- und Fußweg im Gebiet geführt. Hier ist eine Überschneidung der Wände vorgesehen.